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„SINFONIE TRIFFT KÖNIGIN“ – ARNOLD MENDELSSOHN – VIOLINKONZERT „VON“ DREI KOMPONISTEN

Am Sonntag, den 20.11.22, um 19 Uhr gibt es in der Kreuzkirche Bonn ein besonderes musikalisches Ereignis. Das Violinkonzert von Arnold Mendelssohn, einem Großneffen des berühmten Felix Mendelssohn-Bartholdy, kommt zur Aufführung – und das ist einmalig.

Da die Nationalsozialisten Mendelssohns Musik verboten, sind viele seiner Werke in Vergessenheit geraten. Mendelssohn war von 1872-1875 Kirchenmusiker an der Bonner Kreuzkirche und die Gemeinde ist im Besitz eines umfangreichen Handschriftenarchivs. Das Violinkonzert ist virtuos und romantisch liedhaft gleichermaßen, es vereint eine moderne Tonsprache mit volksliedhaften Tänzen und zeichnet sich durch musikalischen Witz und eine unglaubliche Originalität aus. Diesem Werk wünscht man die großen Bühnen in Deutschland.

Weitere Informationen zu den Werken des Abends findet Ihr hier:

 

Arnold Ludwig Mendelssohn

(* 26. Dezember 1855 in Ratibor; † 18. Februar 1933 in Darmstadt)

 

Violinkonzert op.88 (vollendet am 17. März 1921)

Uraufführung 1.10. 1921 Darmstadt, Solist: Otto Drumm (1888-1962) – Konzertmeister des Orchesters, Orchester des Hessischen Landestheaters, Leitung: Michael Balling (1866-1925)

 

Allegro – Adagio – Finale (Vivace non troppo)

 

Was den 66-jährigen ehemaligen Darmstädter Kirchenmusikmeister Arnold Mendelsohn, ein Neffe 2. Grades des berühmten Felix Mendelssohn-Bartholdy, zur Komposition seines Violinkonzerts bewogen haben mag, weiß man heute nicht mehr.

Nach seiner Ausbildung in Berlin – er studierte Orgel und Komposition – wurde Arnold Mendelssohn als 25jähriger junger Mann drei Jahre lang Organist und Chorleiter an der damals neuen Kreuzkirche in Bonn. Weitere Stationen waren dann Bielefeld und Köln, wo er als Lehrer für Orgel und Musiktheorie am Konservatorium unterrichtete.

Mit 35 Jahren wurde er schließlich in Darmstadt sesshaft, wo er bis zu seinem Tod 1933 lebte. Als sogenannter „Kirchenmusikmeister“ der Hessischen Landeskirche war er sowohl als Orgelsachverständiger als auch als Chorleiter tätig, unterrichtete an zwei Darmstädter Gymnasien und widmete sich verstärkt der Komposition kirchenmusikalischer Werke und war Herausgeber u.a. von Choralsammlungen. Er hielt Orgelkurse für Organisten und Kantoren ab und war musikalischer Leiter der Jahresfeste des hessischen Kirchengesangsvereins.
Die überregionale Bedeutung seiner Stellung, die ihn vor allem im Bereich der Kirchenmusik weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte, ließen ihn zu einer der bedeutendsten und angesehensten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit werden.

1912/13 lehrte Mendelssohn ein knappes Jahr lang am Hoch´schen Konservatorium in Frankfurt. Paul Hindemith war in dieser Zeit sein Schüler. Auch danach nahmen zahlreiche Komponisten wie Günther Raphael, Heinrich Spitta und Kurt Thomas privaten Kompositionsunterricht bei Mendelssohn.

Obwohl das geistliche vokale Werk den Schwerpunkt in seinem kompositorischen Werk bildet, widmete er sich in den letzten Lebensjahrzehnten zunehmend der weltlichen Musik, schrieb 3 Opern, 3 Sinfonien, Kammermusikwerke, etwa 170 Lieder, ein Violin- und ein Cellokonzert.

Das Violinkonzert entstand wahrscheinlich für den Konzertmeister des Orchesters des Hessischen Landestheaters, Otto Drumm, der es 1921 nur 7 Monate nach der Fertigstellung mit „seinem“ Orchester unter der Leitung des Generalmusikdirektors am Theater, Michael Balling, uraufführte.

Da in der gedruckten Ausgabe Werks bei Bote und Bock (1922) in der
Violinstimme zahlreiche Abweichungen gegenüber der Partitur festzustellen sind, hat es hier vermutlich eine Mitarbeit des Solisten in geigerischen Fragen gegeben.

Das Violinkonzert ist zwischen der ersten (Es-Dur, 1920) und zweiten Sinfonie (C-Dur, 1922) entstanden.

Von der Uraufführung berichtete Fritz Erckmann, ein örtlicher Musikschriftsteller und Komponist, in der Londoner Musikzeitschrift Musical Times (Ausgabe vom 1. Januar 1922): „Ein Violinkonzert in G-moll von Arnold Mendelssohn erwies sich als eine würdige Ergänzung zum Repertoire. Es hat Aufrichtigkeit, Melodie und Leben. Herr Drumm (Konzertmeister des Orchesters) hat es herrlich gespielt.“

Die Komposition des Violinkonzerts folgt ganz den traditionellen Vorbildern der Gattung. Die damals meist aufgeführten Konzerte waren sicher die von Beethoven, Brahms und Max Bruch – allesamt Werke, die zwar einen virtuosen Solopart besitzen, bei denen das Orchester aber keineswegs eine rein begleitende Funktion hat, wie etwa bei den Werken der komponierenden Geigenvirtuosen, wie z. Bsp. Paganini oder Wieniawski. Die reinen Orchesterabschnitte sind recht anspruchsvoll für die Musiker und belegen den sinfonischen Anspruch der Komposition.

Der erste Satz in g-moll folgt ganz klassisch dem Schema der Sonatenhauptsatzform, beginnt aber, wie etwas das Konzert von Dvorak, mit einer virtuosen Einleitung der Solovioline, bevor das Hauptthema erklingt. Geigerische Elemente zeigen Anklänge an Figuren im Beethovenschen Violinkonzert. Eine Solokadenz ist auskomponiert. Da diese nicht in der Partitur gedruckt wurde, sondern nur in der Solostimme erscheint, steht zu vermuten, dass Otto Drumm diesen Abschnitt selbst beigesteuert hat. Er besteht nur aus geigerischen Figurenwerk und hat keinen thematischen Bezug zum restlichen motivischen Material des Satzes, was recht ungewöhnlich ist.

Das Violinkonzert von Max Bruch stand in vielen weiteren Details Pate für Mendelsohns Werk. Wie das g-moll Konzert von Max Bruch steht der zweite Satz in Es-Dur und der dritte in G-dur.

Auch hier bedient die Solovioline in den gesanglichen Abschnitten wirkungsvoll die tiefen Register der G-Saite und der bewegte Mittelteil des 2. Satzes gipfelt in einem klangvollen Orchestertutti.

Der dritte Satz, auch bei Arnold Mendelssohn ein tänzerisch schwungvolles Rondo, hat durchaus Ohrwurmcharakter und enthält recht humorvolle Ideen, wie Kuckucksrufe in den Bläsern oder einen augenzwinkernden Marsch im Mittelteil.

Nur drei Wochen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten starb Mendelssohn im Alter von 77 Jahren an einem Herzschlag. Seine Werke wurden sogleich wegen der jüdischen Abstammung seines Schöpfers verbannt. Obwohl vieles in diesem Violinkonzert sehr an die traditionellen Vorbilder erinnert, hätte es aufgrund der zahlreichen originellen Einfälle und des dankbaren und virtuosen Soloparts einen Platz im Repertoire verdient.

Peter Stein, November 2022

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César Franck

(* 10. Dezember 1822 in Lüttich, Königreich der Vereinigten Niederlande; † 8. November 1890 in Paris)

Choral Nr. 2 in h-moll

à Monsieur Auguste Durand

 

César Franck wurde 1822 als Sohn deutscher Eltern in Lüttich geboren und übersiedelte 1835 mit der Familie nach Paris. 1856 wurde er Organist der neu errichteten Basilika Sainte-Clotilde, deren Orgel von dem bedeutendsten Orgelbauer seiner Zeit erbaut wurde – Aristide Cavaillé-Coll. 1871 wurde Franck Professor für Orgel am Pariser Conservatoire, wo sich sein Unterricht vor allem auf die Aspekte Improvisation und Komposition konzentrierte.

 

Die „Trois Chorals“ César Francks entstanden im Todesjahr des Komponisten 1890. Neben dem heute erklingenden gehören dazu die Choräle Nr. 1 in E-Dur und Nr. 3 in A-Moll. Sie gehören zusammen mit der „Symphonie“ und der „Violinsonate“ zu den Meisterwerken seiner späten Schaffensphase und gelten gleichermaßen als Höhepunkt seines Orgelschaffens – wie auch als sein musikalisches Vermächtnis. Der Komponist Charles Tournemire berichtet von einer ersten Darbietung der „Drei Choräle“ durch den Komponisten, die kurz vor dessen Tod in Francks Wohnung am Klavier stattfand, wobei Tournemire die Pedalpartie markierte.

 

Lebenslang wies Franck auf die enge Verwandtschaft von Orgel- und Orchesterwerken hin, weswegen sich sein Werk so wunderbar in das heutige Orchesterkonzert einfügt. Überliefert ist sein Ausruf über über die Cavaillé-Coll-Orgel seiner Vorgängerstelle Saint-Jean-Saint-François: „Meine neue Orgel? Sie ist ein Orchester!“

 

Stefan Horz

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Camille Saint-Saëns

(* 9. Oktober 1835 in Paris; † 16. Dezember 1921 in Algier)

Symphonie Nr. 3 C-Moll op 78 („Orgelsymphonie“)

Adagio – Allegro moderato, Poco adagio
Allegro moderato – Presto, Maestoso – Allegro

 

„Hier habe ich alles gegeben, was ich geben konnte… so etwas wie dieses Werk werde ich nie wieder schreiben.“

Diesen Satz schreibt Saint-Saëns über seine Sinfonie Nr. 3.

Hector Berlioz schreibt in seinem zum Standardwerk erhobenen „Grand traité d’instrumentation et d’orchestration modernes“ (1844) über die Unvereinbarkeit der Klänge eines Sinfonieorchesters und einer Orgel. Beide Klangwelten seien so unterschiedlich, dass sie sich gegenseitig bekämpften, ja zunichtemachen würden.

François Auguste Gevaert formuliert in seinem Lehrbuch 1885 sogar: „Ihre große Stimme entzücke in einer majestätischen Einsamkeit.“

1885 schrieb Saint- Saëns seine Orgelsinfonie – wie konnte das sein?
In dieser Zeit revolutionierte der französische Orgelbauer Aristide Cavaillé-Coll die Klangmöglichkeiten der Orgel und große Konzertorgeln zogen in die Konzerthäuser Europas ein.

Der Auftrag für diese Komposition kam aus England von der Londoner Philharmonic Society, die Uraufführung fand am 19. Mai 1886 in London unter der Leitung des Komponisten statt.

In einem Brief an den Auftraggeber formuliert Saint-Saëns: „Die Arbeit an der Symphonie ist in vollem Gange. Aber ich warne Sie: Es wird ungeheuerlich. […] Glücklicherweise gibt es keine Harfen. Unglücklicherweise wird sie schwer sein. Ich tue, was ich kann, um die Schwierigkeiten abzumildern. […] Diese verteufelte Symphonie ist einen Halbton nach oben gerutscht; sie wollte nicht in h-Moll bleiben und steht jetzt in c-Moll. Es wird mir ein Fest sein, diese Symphonie zu dirigieren. Ob es für die anderen ein Fest sein wird, sie zu hören? That is the question.[8] Sie haben es so gewollt, ich wasche meine Hände in Unschuld.“

Wir können daraus eine große Begeisterung des Komponisten für seine Sinfonie herauslesen, die er 26 Jahre(!) nach der Entstehung der Vorgängerin komponierte.

Spektakulär ist der erste Einsatz der Orgel in diesem Werk, auf den man eine lange Zeit – den ganzen ersten schnellen Teil der Sinfonie – warten muss. Der erste Satz endet quasi in einem Leerlauf, die Musik läuft aus, und dann erklingt im Orgelpedal eine ganze Note lang der tiefe Ton As, im nächsten Takt erklingt darauf ein Des-Dur Akkord, über dem die Streicher unisono mit einer zum Weinen schönen Melodie einsetzen. In sehr ruhiger, fast minimalistischer Weise verbindet Saint-Saens hier Orgelklang und Orchesterklang. Im weiteren Verlauf schreibt der Komponist das Register „Voix celeste“ vor, das ist ein, durch eine minimale Verstimmung, schwebendes Streicherregister. Dazu fordert es im Pedal den 32 Fuß, eine extrem tiefe, fast nicht mehr hörbare Lage, die noch tiefer als die Kontrabässe erklingt. So umfasst Saint-Saëns mit dem Orgelklang das gesamte Orchester.

Im zweiten Satz erscheint die Orgel nun im Fortissimo, aber immer majestätisch, fast statisch mit vollgriffigen Akkorden. Bläser und Streicher erscheinen blockartig als ebenbürtige Klangpartner. Auf diese Weise schafft es Saint-Saëns, beide Klänge wirklich miteinander gleichberechtigt zu verbinden.

In diesem Satz treten zwei Pianist:innen an einem Flügel hinzu, die in virtuosen, gebrochenen Akkorden den Klang der Musik lebendig und rhythmisch machen.

Saint-Saëns‘ dritte Sinfonie ist ein klangvolles, pathetisches, zutiefst romantisches Werk, das trotz der Extreme nie ins Klischeehafte abdriftet. Im Gegenteil, es ist eine Musik, die die Zuhörer, frei nach Schiller, als bessere Menschen aus dem Konzert entlässt…

Karin Freist-Wissing

(Foto: M.Kiefer)

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