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SERIE „PASSIONEN“ – TEIL 4 „KOMM, SANFTER TOD UND FÜHR MICH FORT“

Artikelreihe von Karin Freist-Wissing über die beiden Bach-Passionen – „O GROßE LIEB“ – J.S. Bachs Leidenschaften – Johannespassion – Matthäuspassion, was ist das?

Artikel 4: „Komm, sanfter Tod und führ mich fort“ 

Johann Sebastian Bachs Beziehung zum Tod ist vielfältig schmerzhaft und begleitet sein gesamtes Leben. Er wurde mit neun Jahren Vollwaise. Mit 38 Jahren waren seine fünf Brüder ebenfalls alle tot. Wenige Jahre später starb auch so eine einzige Schwester. 

 1720, Bach war 35 Jahre alt, seit 13 Jahren mit seiner Cousine Maria Barbara verheiratet und hatte fünf kleine Kinder. Guten Mutes fuhr er mit seinem Fürsten, bei dem er in Anstellung war, auf eine Dienstreise. 

Als er nichts ahnend und vergnügt sein Haus betrat, erfuhr er, dass seine Frau krank geworden, gestorben und bereits begraben war. Das muss ein Schock für den jungen Familienvater gewesen sein. 

In der damaligen Zeit war die Sterblichkeitsrate bei Neugeborenen und Kindern sehr hoch. Trotzdem können wir nicht davon ausgehen, dass sich die Menschen daran gewöhnt haben. Sie waren genauso voll Trauer und verzweifelt wie wir heute, sie mussten aber mit diesen Verlusten leben lernen und weiter ihren Alltag bestehen. 

Bach hatte mit seiner ersten Frau 7 Kinder, von denen 3 in den ersten Lebensjahren starben. 

Mit seiner zweiten Frau Anna Magdalena hatte Bach zwölf Kinder, von denen sieben in den ersten vier Lebensjahren starben. So war der Tod allgegenwärtig für Bach und seine Familie. Diese Erlebnisse haben Bachs schöpferische Kraft nachhaltig beeinflusst, vielleicht sogar zeitweise gelähmt. 

Bach hat viele Texte vertont, in denen der Tod als Schlaf der Erlösung beschrieben wird: „Welt ade! Ich bin dein müde“ (BWV 158), „Ach! Wär ich doch nur tot!“ (BWV138) oder „Ach ruft mich bald ihr Sterbeglocken“ (BWV127) 

Diese Todessehnsucht gibt es nicht in der Bibel, und sie ist auch zu Bachs Zeit nicht üblich. Vielleicht ist es seine Art, das Sterben seiner Geschwister und Kinder seelisch zu überleben. Selbst der Schlusschor der Matthäuspassion ist keine Freude über die kommende Auferstehung, sondern eine große Klage, die sich nach Ruhe im Tod sehnt. 

Karin Freist-Wissing

Weitere Informationen zur „Johannes-Passion“ am 27. März 2022 in der Kreuzkirche.

Weitere Informationen zur „Matthäus-Passion“ am 15. April 2022 in der Kreuzkirche.

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